Delfina

Die meisten meiner Leser wissen, dass ich zwei Hunde habe, die mein Herz und meine Seele sind. Ohne meine Hunde hätte ich im Kampf gegen meine Krankheit wahrscheinlich irgendwann den Mut oder die Hoffnung verloren. Die beiden sind ein enorm wichtiger Teil meines Lebens.

Ich habe mich schon um viele Hunde in meinem Leben gekümmert. In der Zeit, in der ich in Jakarta gewohnt habe, hat es sich bald herumgesprochen, dass wir herrenlose Hunde aufnehmen und ausgesetzte Welpen aufziehen. Ich weiß nicht, wie viele Nächte ich damit verbracht habe, Flaschen mit Aufzuchtmilch vorzubereiten und zu füttern. Es scheint ein Erbe meines Vaters zu sein, dass in meinen Augen ein Tier jede Mühe wert ist. Vielleicht ist es auch seine bedingungslose Liebe zu den Tieren gewesen, die mich so stark geprägt hat.

Der kleine schwarze Hund aus dem Turtle Conservation Center ging mir weiterhin nicht aus dem Kopf. Ich hoffte, dass er Hilfe von der BAWA Foundation bekommen hatte.

Am 08. September bekam ich eine Nachricht von BAWA, dass sie den kleinen Hund mitgenommen hätten. Es wäre ein kleines Mädchen. Ihr Name sei Delfina und sie hätten sie zur Central Vet Tierklinik gebracht, um ihr Auge zu behandeln. Da sie unter einem Nickhautdrüsen-Vorfall leidet, müsste ihr Auge entfernt werden. Sie fragten, ob ich vielleicht bereit wäre, ein wenig Geld zu spenden.

Ich musste da nicht lange drüber nachdenken. Eigentlich hatte ich eingeplant, das nächste Tattoo anzugehen. Aber was ist ein Tattoo gegen ein Leben? Also setzte ich mich mit den Jungs in ein Grabtaxi und fuhr zur Tierklinik. Dort angekommen zahlte ich die Kosten für die OP und die Sterilisation von Delfina an.

Da sie noch Nasenausfluss hatte und hustete, war Delfina separat von den anderen Hunden untergebracht worden. Die Kleine war freundlich und aufgeweckt. Und wie auf Turtle Island war da wieder diese einzigartige Verbindung, die manchmal zwischen einer Hundeseele und einer Menschenseele entsteht. Ich wusste in diesem Augenblick, dass Delfina mein Hund war.

Ich versprach, sie so oft wie möglich zu besuchen und in der Zwischenzeit per Whatsapp Kontakt mit der Klinik zu halten. Also meldete ich mich täglich und fragte nach ihrem Befinden. Die Tierärzte wollten die Operation erst dann angehen, wenn sich ihr Zustand stabilisiert hat und der Husten weg war. Dem konnte ich nur zustimmen.

Am 14. September erkundigte ich mich nach Delfina’s Befinden und bekam die Nachricht, dass es ihr nicht gut gehen würde. Sie erbrach und hatte Durchfall. Die Ärzte teilten mir mit, dass sie einen Test auf Parvovirose gemacht hätten, der ein positives Ergebnis geliefert hätte. Mein Herz sank.

Parvovirose ist eine hochansteckende und akut verlaufende Viruserkrankung beim Hund. Der Auslöser ist der extrem widerstandsfähige Canine Parvovirus, der vor allem Welpen ohne Impfschutz oder ausreichende Immunisierung durch mütterliche Antikörper befällt. Die Erkrankung verläuft meist tödlich.

Ich wusste, dass ihre Chancen nicht gut stehen mit dieser Diagnose. Der Verstand wusste es. Doch das Herz wollte nicht kampflos aufgeben. Unsere Familie besteht aus Kämpfern. Wir sehen den Dingen ins Auge und begegnen dem Tod mit erhobenem Haupt und geballten Fäusten. Also fuhr ich zu meinem Mädchen und bat sie, nicht aufzugeben.

Delfina war sehr schwach. Sie hatte Fieber, ihr Fell war matt und sie hatte noch mehr Gewicht verloren. Doch sie reagierte auf meine Anwesenheit. Ich bat die Tierärzte, das Geld für die OP erst mal für die Infusionen und weitere Behandlung zu nutzen. Schweren Herzens musste ich mich verabschieden.

Mein Gefühl sagte mir, dass Delfina die Nacht vielleicht nicht überleben würde. Es war schwierig, sich auf die alltäglichen Dinge zu konzentrieren. Am nächsten Tag fragte ich nach, ob sie noch lebt. Während ich auf die Antwort gewartet habe, wog mein Herz schwer wie Blei.

Als dann die Nachricht kam, dass sie noch lebte, war ich erleichtert. Für mich stand fest, dass ich Delfina, wenn sie diese Krankheit überlebt, in spätestens einem Jahr nach Deutschland zu unserer Familie holen würde. Es war mir egal, wieviel es kosten würde. Geld ist irrelevant, wenn es um ein Leben geht.

Sie war nach wie vor sehr schwach und wollte zudem nicht mehr selbst fressen. Die Ärzte beschlossen, sie per Zwangsfütterung zu ernähren. Sie versprachen mir, mich auf dem Laufenden zu halten. Aber mein Mädchen hat gekämpft.

Wie beschreibt man dieses Gefühl, wenn man mit purer Willenskraft ein Lebewesen am Leben erhalten will? Ich bin kein religiöser Mensch, aber in diesen Stunden bat ich das Universum um das Leben dieses kleinen Hundes, der so plötzlich in meinem Leben aufgetaucht war und Pfotenabdrücke hinterlassen hatte.

Um 18.34 Uhr Balizeit kam dann zeitgleich die Nachricht von BAWA und der Tierklinik, dass die Ärzte beschlossen hätten, Delfina aufgrund ihres sich rapide verschlechternden Gesundheitszustandes einzuschläfern.

Es ist schwer zu beschreiben, was in einem in solch einem Moment vorgeht. Trauer, Wut, Hilflosigkeit. Ich bat die Ärzte, sie sanft zu behandeln und ihr zu sagen, dass sie geliebt wird. Sie antworteten mir, dass sie Delfina genau das gesagt hätten.

Tierschutz geht uns alle etwas an. Jeden Tag sehe ich Tiere, die in einem sehr schlechten Gesundheitszustand sind, die misshandelt werden und wie Dreck entsorgt werden. Nicht nur hier auf Bali, auf der ganzen Welt passiert so etwas.

Bitte seht nicht weg! Tierschutz ist niemals einfach. Es erfordert, aus der eigenen Komfortzone herauszutreten und aktiv zu werden. Es erfordert, Opfer zu bringen. Und manchmal erfordert es einen Teil unseres Herzens.

Wenn ihr also ein Tier in Not seht, denkt an einen kleinen schwarzen Hund und seht nicht weg.

Gute Reise, mein Mädchen. I’ll see you across the sea.

2 Gedanken zu „Delfina“

  1. Liebe Patricia,
    eben noch geschmunzelt über die erste Geschichte und schon geweint bei der zweiten ????
    Ich weiß, es tut weh, einen vierbeinigen Freund gehen zu lassen, aber sie war in guten Händen und hatte eine würdige Reise.????

    So, jetzt freue ich mich auf weitere Einträge und wünsche Dir eine gute und erfüllte Zeit.

    LG Kersten

    1. Aloha Kersten,
      das Leben ist nun mal selten fair. Ich bin dankbar, dass sie (wenn auch nur sehr kurz) ein Teil meines Lebens war. Man lernt aus jeder Erfahrung, auch wenn sie schmerzhaft ist.
      Die nächsten Einträge werden hoffentlich wieder etwas fröhlicher ????????

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