Requiem

Ich weiß, dass ich versprochen habe, als nächstes über unseren Trip nach Lemukih zu berichten. Aber im Leben kommt es selten so, wie man es geplant hat.

Am 21.12.2019 musste ich meinen großen Bären gehen lassen. Ich konnte nicht dabei sein, ich konnte ihn nicht in meinen Armen halten. Und ich konnte nicht für meine Familie da sein in dieser dunklen Stunde.

Herbie kam zu uns im Alter von 9 Monaten. Wir kannten ihn allerdings schon als Welpen, denn seine Mutter Wanda gehörte unserer Nachbarin. Von Anfang an verliebte ich mich in das kleine pelzige Bärchen. Doch zu dem Zeitpunkt waren wir beide noch in Vollzeit berufstätig und so beschlossen wir, dass unser Apollo weiterhin Einzelkind bleibt. Herbie ging dann nach Solingen. Er war einer der ersten Welpen, der abgeholt wurde und es gab mir schon einen Stich, als er auf einmal nicht mehr da war.

Die Zeit verging. Nach ein paar Monaten rief unsere Nachbarin uns an. Ob wir denn den Herbie haben möchten. Das Ehepaar würde sich trennen und der Hund müsste weg. Zu dem Zeitpunkt habe ich nur noch halbtags gearbeitet und so war es für uns keine Frage mehr. Da mein Mann damals noch in Remscheid gearbeitet hat, ist er nach der Arbeit in Solingen vorbei gefahren und hat Herbie abgeholt.

Und dann war er endlich da. Mein Beanobärchen. Mein Herbman. Mit Tatzen, die so groß wie meine Handfläche waren. Er war von Anfang an ein Mamahund, hat sich immer an mir orientiert und auf mich aufgepasst.

Apollo und Herbie waren Chaos und Körperverletzung. Sie traten immer im Doppelpack auf. Und Herbie hatte anfangs unheimlich viel Spaß daran, Dinge zu zerstören. Eine angeknabberte Treppenstufe, ein Loch in der Wand, Bisspuren in der Türzarge, eine durchgebissene Xbox- Steuerung, ein kleingehäckseltes Verlängerungskabel…

Nach und nach legte sich das. Herbie kannte nie etwas Böses und wir haben auch dafür gesorgt, dass das so bleibt. Er begegnete der Welt wie ein kleines Kind. Staunend, unbefangen, manchmal etwas naiv. Immer freundlich und fröhlich.

Wir haben soviel gemeinsam durchgestanden. Seine Magendrehung, als ich dachte, ich verlieren ihn. Meine Krankheit, als er mich beschützte und mir Kraft gab, nachdem wir kurz vor der fünften Operation Apollo verloren haben.

Nun ist alles dunkel. Mein Fels in der Brandung ist fort. Wenn ich zurückkehre, werde ich mich nicht mehr an ihn kuscheln können.

Als ich aus der Tür ging, um das Auslandssemester anzutreten, war mir schon bewusst, dass ich meinen Bären nicht mehr wiedersehen könnte. Er ist zehn Jahre alt gewesen, zwar immer noch rüstig, aber halt alt. Trotzdem waren wir alle optimistisch, dass er bis zu meiner Rückkehr noch leben könnte.

Und doch kam alles anders.

Herbie hatte einen Megaösophagus entwickelt. Seine Speiseröhre quittierte den Dienst und weder Nahrung noch Wasser kamen im Magen an. Mein Herbman verhungerte und verdurstete uns vor unseren Augen.

Es ist nie einfach, diese eine Entscheidung zu fällen. Man hofft und bangt, doch tief im Herzen weiß man, dass es Zeit für den Abschied ist.

Herbie ist in Sven’s Arm eingeschlafen, ganz friedlich. Auch wenn ich nicht körperlich dabei sein konnte, machte die heutige Technik es möglich, dass ich per Videocall zugeschaltet werden konnte. Und so konnte ich meinen Bären gehen lassen und ihm sagen, dass er jetzt loslassen kann.

Ich wünschte, ich könnte Fröhlicheres schreiben so kurz vor Weihnachten. Ich wünschte, ich könnte euch glücklich von unserer traumhaften Villa im Norden von Bali erzählen, in der wir die Weihnachtstage verbringen werden.

Ich versuche, mich abzulenken und fröhlich zu sein. Doch die Trauer sitzt tief und innerlich schreit alles vor Schmerz.

War es die richtige Entscheidung ins Ausland zu gehen? Ich habe viel gelernt hier, ja. Aber vielleicht war der Preis dann doch ein wenig zu hoch.

Das Leben ist so zerbrechlich. Haltet es in Ehren, lebt bewusst jeden Augenblick. Die Stunde des Abschieds kann so schnell kommen, und es nie genug Zeit gewesen. Lebt euer Leben mit offenen Augen und offenem Herzen.

Ich wünsche Euch allen nichtsdestotrotz ein friedliches Weihnachtsfest im Kreis Eurer Familien. Genießt die ruhigen Tage und schöpft Kraft für das neue Jahr. Alles Liebe von mir und Herbie.

Herbiebär…mein Liebling. Gute Reise, mein Großer. Du wirst immer mein Bärchen sein. I will meet you across the sea.

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